26.5.2022
Çanaksu (Çıldır See), Türkei – Kartsakhi, Georgien
Km: 60
Km Total: 15’600
Grenzübertritt nach Georgien:
Nach 170 Tagen in der Türkei ist es Zeit weiterzuziehen. Wenn es uns in der Türkei nicht sehr gut gefallen hätte, wären wir wohl nicht ein halbes Jahr geblieben ;-).
Die Ausreise von uns läuft glimpflich, doch unser Iveco macht es uns nicht so einfach. Der Kerl hätte nur drei Monate in der Türkei verweilen dürfen. Wir waren uns dem ja eigentlich so halb bewusst, haben es aber trotzdem verpasst den Zoll vor Monaten aufzusuchen, um eine Verlängerung zu beantragen. Naja, selbst schuld. So müssen wir in ein Büro und wir erwarten eine Busse. Aber wie hoch? Eine sehr freundliche und hilfsbereite Türkin nimmt sich unserem Fall an. Wir warten und warten. Sie telefoniert und diskutiert die Angelegenheit auch mit ihrem Chef. Nach etwa 1 ½ Stunden im Büro bekamen wir mal einen Tee :-). Sie erklärt uns, dass es für uns kein Nachspiel habe, aber für unseren treuen Iveco. Der arme Kerl darf 185 Tage nicht mehr in die Türkei einreisen! Sie fragt uns mehrmals, ob wir wirklich nach Georgien ausreisen wollen! Denn sie hat jetzt nachträglich die Aufenthaltsbewilligung für den Iveco auf dasselbe Datum verlängert, das auch für unsere Türkischen ID’s gilt (5.Juli). Wir haben jetzt also die Wahl: Entweder quer durch die Türkei zurück nach Europa fahren oder im Kaukasus „gestrandet“ sein für 185 Tage. Wenn alles nach Plan geht, sollten für uns die 185 Tage keine Rolle spielen, da wir sowieso eine andere Route im Sinn haben. Die Busse beträgt am Schluss laut Papier 16 Franken, jedoch hat die Angestellte einen Rabatt für uns rausgeholt und wir müssen nur 12 Franken bezahlen :-). Weiter warten wir fürs Bezahlen. Schlussendlich verloren wir 2 ¼ Stunden wegen dem Überziehen.
Nach insgesamt 2 ½ Stunden verlassen wir also die Türkei und rollen gemächlich Richtung Georgien. Wir sehen im Niemandsland die Flaggen im starken Wind wehen. Neben der Türkischen auf der einen Seite weht direkt neben der Georgischen auch die Europa-Flagge! Ein politisches Statement! Ob die Flagge erst seit dem Ukraine-Krieg weht ist unklar. Für uns ist es komisches Gefühl wieder auf Europäischem Boden zu fahren, da wir ja in den letzten Monaten mehrere Tausende Kilometer auf asiatischem Boden in Richtung Osten fuhren!
Die Einreise nach Georgien war in knapp 30 Minuten komplett abgeschlossen. Maryse muss nun zu Fuss separat durch den Zoll, und ich fahre den Iveco rüber. Pass abstempeln, Fahrzeugdokumente und Covid-Zertifikat zeigen, eine kleine Fahrzeugkontrolle und am Schluss noch eine Autoversicherung lösen (30 Franken für 3 Monate). Hallo Georgien :-). Wir sind sehr gespannt was uns erwarten wird!
Wenige Kilometer nach dem Zoll stellen wir den Iveco bei einem Picknickplatz am See ab!
27.5.2022
Kartsakhi – Vardzia, Georgien (Höhlenstadt Vardzia)
Km: 80
Km Total: 15’680
Es ist morgens um 6 Uhr, Stefan ist schon wach, ein Auto fährt heran. Na toll, die Grenzpolizei! Wir ahnen bereits, dass es auf diesem schönen Übernachtungsplatz wohl kein gemütliches Morgenessen gibt. Und so ist, laut dem Grenzwächter befinden wir uns in der Grenzzone und er weist uns an, den Platz umgehend zu verlassen. Unter anderen Voraussetzungen hätten wir schon gar nicht so nahe an der Grenze übernachtet. Doch dieser See befindet sich in einem Naturschutzgebiet und hier direkt neben uns, gibt es einen Picknickplatz sowie ein Vogelbeobachtungsturm. Auch war die Zufahrt problemlos möglich und in keiner Weise abgesperrt oder gekennzeichnet. Nun gut, wir lassen uns natürlich auf keine Diskussionen ein, packen unsere sieben Sachen, fahren auf den 100 m entfernten Parkplatz der kleinen Nationalparkhütte und essen dort unser Frühstück. Ist ja auch nicht schlecht, wenn wir mal ein bisschen früher unterwegs sind ;-). Auf dem Weg in das erste Städtchen Achalkalaki, trauen wir unseren Augen nicht. Der LKW Stau, dem wir gestern bereits auf den wenigen Kilometern von der Grenze weg entlanggefahren sind, zieht sich über sage und schreibe 22 km weiter! Wir zählen um die 800 Lastwagen! Sicher über die Hälfte sind Türken, die anderen sind Russen und Zentralasiaten sowie einige Aserbaidschaner und Armenier. Und der Stau ist nicht etwa flüssig, nein, die Lastwagen stehen absolut still! Vor den kleinen Dörfern, die sich auf der gestauten Strecke befinden, werden die Lastwagen glücklicherweise gestoppt, damit nicht das ganze Dorf verstopft wird.
Beim letzten Lastwagen halten wir an, und fragen den Türken wie lange er für die Strecke zur Grenze rechnet. Es spricht ein klein wenig Deutsch und sagt, dass es ca. eine Woche dauert! Aufgrund von Verständigungsproblemen finden wir jedoch nicht heraus, ob es sich hier um den Normalzustand handelt. Wir gehen jedoch nicht davon aus. Es könnte sein, dass es Auswirkungen des Ukraine Krieges bzw. der deswegen geschlossenen Grenzen sind. In Achalkalaki organisieren wir uns eine lokale SIM Karte, georgisches Geld und erledigen Einkäufe. Und wir essen unser erstes georgisches Mittagessen: Shawarma, ein Fast-Food Klassiker des Kaukasus, sowie vieler anderer Ländern des arabischen Raumes und mittleren Ostens. Und das Pendant zum Döner Kebab in der Türkei. Gemeinsames Merkmal dieser beiden Gerichte ist der grosse vertikale Bratspiess, wovon das Fleisch in dünnen Scheiben abgeschabt wird. Sie unterscheiden sich durch die Fleischsorte und verwendeten Gewürze, Sossen etc. Wir vermissen jedenfalls den „böckeligen“ Geschmack des türkischen Kebabs überhaupt nicht ;-). Was wir allerdings bereits vermissen, sind die Migros-Supermärkte, die es fast in jeder grösseren Stadt gab. Hier in der ersten georgischen Stadt gestaltet sich das Einkaufen wieder etwas anders. Es gibt zwar einen kleinen Spar-Supermarkt, der jedoch nur ein sehr dürftiges Sortiment hat. Des Weiteren gibt es einige kleine Lebensmittelläden, die teilweise kaum erkennbar sind, weil sie nicht angeschrieben sind. Und es gibt eine Marktstrasse mit Gemüse. Auch etwas ganz Alltägliches wie Einkaufen wird in einem fremden Land zur Herausforderung und jedes Mal von Neuem, wenn man eine Grenze passiert.
Weiter geht die Reise zur nahegelegenen Höhlenstadt Vardzia, welche in einem schönen grünen Flusstal mit felsigen Abhängen liegt. Der erste Blick auf die Höhlenstadt ist beeindruckend!
In einer hohen Felswand sind hunderte von grossen und kleinen Höhleneingängen zu sehen. Die Stadt wurde im 12. Jahrhundert als Festung erbaut, später als Kloster ausgebaut, mit ca. 2000 dort lebenden Mönchen. Die riesige Höhlenstadt wurde auf 13 Stockwerken gebaut, die Höhlen sind verbunden durch Tunnel, Treppen und Terrassen. Heute ist allerdings nur noch ein Bruchteil des ursprünglichen Vardzia zu sehen. Die Stadt wurde im Jahr 1283 Opfer eines schweren Erdbebens, die Aussenwände der Höhlen brachen ein und die Stadt war zum Untergang verdammt. Seit dem Ende der Sovietzeit leben hier aber tatsächlich wieder ein paar Mönche!
Zwei Stunden erkunden wir die Höhlenstadt, schauen in unzählige, teils geräumige Behausungen rein, wobei ausser den Feuerstellen nur wenige Details zu erkennen sind. Und doch sind wir immer wieder beeindruckt, was der Mensch durch Handarbeit und Muskelkraft geschaffen hat. Es gibt auch Pferdeställe, Weinpressräume, Weinkeller, Apothekerräume und vieles mehr. Im Zentrum des Höhlenkomplexes ist die Maria-Himmelfahrts-Kirche, deren Innenfresken gut erhalten sind, jedoch aufgrund des dunklen Innenraums kaum zu sehen sind. Nach zwei Stunden entwischen wir dem Höhlenlabyrinth durch den Geheimtunnel :-).
Wir gesellen uns mit dem Iveco zu der Schweizer Familie, Andrea und Sven mit Nura und Salomon, die uns vorher angesprochen haben und uns den super Panoramaplatz zum Übernachten empfahlen. Übrigens sind dies bereits die zweiten Schweizer, die wir heute getroffen haben, neben einem Holländer und einem Österreicher. Das ist sehr ungewohnt für uns, da wir seit Göreme, d.h. in den letzten fünf Wochen in der Türkei kaum andere Camper-Reisende getroffen haben. Auch im Allgemeinen haben wir in der Türkei sehr wenige andere Camper getroffen, was jedoch vermutlich eher saisonal bedingt war.
28. – 29.5.2022
Vardzia, Georgien
Km: 30
Km Total: 15’710
Da uns das Kura Flusstal so gut gefällt, wollen wir es noch mit den Wanderschuhen erkunden. Von Vardzia aus sind es 5 Kilometer bis zu unserem Ziel, der etwa 1100-jährigen Tmogvi-Burg.
Frühlingsblumen säumen unseren Weg und nach 1 ½ Stunden und einem steilen Schlussteil sind wir oben und können die Aussicht über das Tal geniessen. Wir sehen auf die Schnelle keinen Weg der näher zur Burg führt, also lassen wir es erst mal sein. Aber der „Parkplatz“ bei der Burg gefällt uns so gut, dass wir uns entscheiden, diesen am nächsten Tag als Schlafplatz zu benutzen. Was wir zu dem Zeitpunkt nicht wissen ist, dass der Weg hierher sehr holprig und zeitraubend ist. Wir wandern zurück nach Vardzia und verbringen einen weiteren herrlichen Abend am selben tollen Plätzchen wie gestern.
Jetzt (am nächsten Tag) nehmen wir die kurze Fahrt zur Tmogvi-Burg in Angriff. Für die letzten 5 km der steinigen „Strasse“ benötigen wir 20 Minuten!
Da wir am Vortag nicht bis zur Burg liefen, holen wir dies nun nach. Der „Weg“ ist zeitweise kaum sichtbar und einzelne Passagen sind auch für uns Wandervögel eher kritisch. Zurück beim Iveco bekommen wir schon bald Besuch von zwei Reisegruppen in 4x4 Minivans, die denselben Weg nach Vardzia laufen wie wir gestern und wir realisieren, dass Georgien doch ein sehr beliebtes Reiseziel ist und die Saison bereits voll im Gange ist.
30.5.2022
Vardzia – Bugdasheni See, Georgien
Km: 90
Km Total: 15’800
Nochmals decken wir uns in Achalkalaki mit Proviant ein. Hierzu noch ein kleiner Nachtrag zu unserem ersten Einkauf vor ein paar Tagen: An der Kasse steht eine alte Dame, die nicht etwa eine moderne Kasse bedient, sondern mit ihrem altbewährten Zählrahmen geschickt und flink die Preise zusammenzählt. Wir sind beeindruckt! Für die morgen geplante Wanderung in den „Tiger-Canyon“ müssen wir uns im Besucherzentrum des Javakheti Nationalpark anmelden. Die Wanderung verläuft in der Grenzregion zur Türkei und daher müssen die Grenzbehörden informiert werden, wenn sich dort Wanderer aufhalten. Der Mitarbeiter des Besucherzentrums telefoniert mit dem zuständigen Ranger und rät uns schlussendlich von dieser Wanderung ab. Den Grund dafür weiss er leider nicht… Wir mutmassen, dass der Wanderweg teilweise noch schneebedeckt sein könnte, da der höchste Punkt auf 2700 m liegt, und wir daher aus Sicherheitsgründen den negativen Entscheid erhalten haben. Man empfiehlt uns stattdessen die kleineren Wanderungen an einem der vielen Seen und Feuchtgebieten des Javakheti Plateaus, welche vor allem für ihre reichhaltigen Vogelbestände bekannt sind. Einen davon, den Karzachi-See, haben wir ja bereits beim Grenzübergang vor ein paar Tagen kennengelernt. Das Javakheti Vulkanplateau liegt auf rund 2000 m. Die grosse waldlose Graslandebene ist beherrscht von einem rauen Klima und ist die kälteste besiedelte Region Georgiens! Die zahlreichen Seen, darunter die sechs grössten Seen Georgiens, sind über einige Monate zugefroren. Wir statten zuerst dem nächstgelegenen Khanchali-See einen Besuch ab, der mit vielen kleinen Inseln gespickt ist. Rund um den See scheint es ziemlich sumpfig zu sein, der angegebene Wanderweg führt durch gepflügte Felder und Sumpfland. Uns reizt es nicht besonders diesen Weg zu gehen. Auch finden wir keinen geeigneten Platz zum Campen.
So fahren wir weiter zum kleinen aber sehr malerischen Bugdasheni-See, der schon fast an der armenischen Grenze liegt. Kleine pyramidenförmige Felsen ragen aus dem Wasser und mitten im See liegt eine kleine Insel mit einem kahlen Baum, wo sich viele Vögel und Enten tummeln. Laut Informationstafeln ist der See nirgends tiefer als einen Meter und ist im Winter über fünf Monate komplett zugefroren. Hier gefällt es uns, es gibt einen Picknickplatz und einen Vogelbeobachtungsturm und wir richten uns für die Nacht ein. Gegen Abend spricht uns ein freundlicher Mann an, der Vater des für diesen See zuständigen Rangers. Er gibt uns seine Telefonnummer, falls wir Probleme hätten.
31.5.2022
Bugdasheni See, Georgien
Tiere beobachten und die Natur geniessen. Morgens und abends treiben die Hirten hoch zu Ross, mit lauten Rufen und teilweise leider kräftigen Stockschlägen, ihre grossen Kuhherden ins umliegende Grasland und zurück.
1.6.2022
Bugdasheni See – Paravani See, Georgien
Km: 50
Km Total: 15’850
Bevor wir losfahren, bekommen wir Besuch vom Ranger persönlich. Er spricht ein wenig Englisch und erzählt uns, dass er jeden Tag hierher komme und nach dem Rechten sehe. Er überwacht auch, dass nicht illegal gejagt wird. Ausserdem organisiert er Ausflüge für Reisegruppen. Der See, weiss der junge Mann, wird durch Grundwasserquellen gespeist. Eine davon liegt nahe am Ufer und man sieht sehr schön, wie hier das Wasser aus dem Boden sprudelt. Er hat zwei kleine Pet-Flaschen dabei, füllt diese direkt im See, dort wo die Quelle sprudelt, und gibt uns eine dieser Flaschen. Er meint, wir können dieses Wasser bedenkenlos trinken. Neben seinem Job als Ranger betreibt er auch noch ein wenig Ackerbau. Er zeigt auf einen grossen Traktor, der soeben sein Feld pflügt. Angepflanzt werden hier in der Region hauptsächlich Kartoffeln, angeblich von den besten im Land! Zum Schluss schenkt er uns eine Schachtel Güetzi. Für uns geht die Fahrt weiter zum grössten See Georgiens, der Parawani See.
Unterwegs entdecken wir ein tolles Restaurant und werden verwöhnt mit leckerem armenischem Essen. Der Sohn des Besitzers erzählt uns, dass es hier in diesem Dorf einst eine Käserei gab, die Emmentaler, exklusiv für den Kreml, herstellte! Wir gehen davon aus, dass dies zu Sovietzeiten war. Es sei weitherum bekannt, dass das Weideland hier sehr reichhaltig an feinen Kräutern und Gräsern sei und die Kühe deshalb sehr gute Milch geben. Es würden heute auch von der weiteren Umgebung extra Kühe hergebracht, um sie hier weiden zu lassen.
Das hört sich ja ganz wie bei uns zuhause an :-). Bald erreichen wir den See, wir wählen das westliche Seeufer, und fahren über eine schlechte Strasse unserem Übernachtungsplatz entgegen. Zufällig entdecken wir nahe der Strasse einen öffentlichen Brunnen, wir ergreifen die Gelegenheit und wollen unseren Wasservorrat aufstocken.
Zeitgleich zu unserer Ankunft fahren drei Autos mit jungen Burschen heran, die hier eine Geburtstagsparty feiern wollen. Sofort helfen sie uns beim Wasserfüllen und laden uns anschliessend zum Grillieren ein. Wir lehnen das Angebot dankend ab, weil leider auch hier das Sprachproblem besteht und die Kommunikation über mehrere Stunden doch eher schwerfällig wird. Wir unterhalten uns auf Russisch per Google-Translate. Zu ein paar Becher Wein aus eigener Herstellung und einer grillierten Tomate lassen wir uns dann doch gerne überreden :-). Aus grossen Pet-flaschen wird uns der säuerliche, eher gewöhnungsbedürftige Wein eingeschenkt.
Uns erinnert das Getränk eher an sauren Most als an Wein. Zum Abschied überreicht mir einer der liebenswürdigen Gentlemen ein kleines Sträusschen selbst gepflückte Schlüsselblumen :-). Was uns nach dieser Begegnung definitiv bewusst wird, dass in dieser Region hauptsächlich Armenier leben. Bereits der Ranger vom See erzählt uns, dass er Armenier ist, dann das armenische Restaurant und jetzt noch die Gruppe junger Männer, die sich auch sehr bestimmt als Armenier bezeichnen. Unseren Recherchen zufolge leben in den südöstlichen Gemeinden der Region Samzche-Dschawachetien über 90 % Armenier. Dies ist auf zwei Einwanderungswellen zurückzuführen: eine kleinere Welle nach dem Russisch-Türkischen Krieg 1828/29 und eine grössere nach dem Völkermord an den Armeniern und der damit einhergehenden Vertreibung der Armenier aus dem Osmanischen Reich 1915. Viele der Bewohner sprechen bis heute kein Georgisch, da in den öffentlichen Schulen ausschliesslich auf Armenisch unterrichtet wird, daneben wird Russisch gelehrt. Aufgrund ihrer Muttersprache verlassen viele Junge das Land, um in Jerewan oder Moskau zu studieren. Oft bleiben sie dann gleich dort. Auch gab es in dieser Region in den 1990er Jahren eine starke Unabhängigkeitsbewegung, die jedoch mit Einbindung der Aktivisten in staatliche Behörden sowie der Verbesserung der Infrastruktur an Kraft verloren hat.
Unser Übernachtungsplatz liegt direkt am See, vor uns eine längliche Insel voller Möwen und Pelikane!
2.6.2022
Paravani See – Abuli Pass, Georgien
Km: 20
Km Total: 15’870
(Unter „Videos“ findet ihr einen kurzen Film über diese Strecke)
Zuerst ein kurzes Wort zum Erscheinungsbild der Dörfer hier im Südosten: triste graue Backsteinhäuser ohne Verputz und mit Wellblechdächern, Gasleitungen ziehen sich oberirdisch durchs ganze Dorf, vereinzelt gibt es traditionelle Gebäude mit grasbewachsenen Dächern. Wie bereits in der waldlosen Gegend im Osten der Türkei, wird auch hier aufgrund des fehlenden Holzes (und evtl. als Alternative zum teuren Gas) oft mit Kuhdung geheizt. Der Dung wird zu handlichen Brocken geformt, getrocknet und in ordentlichen Beigen gelagert.
Heute geht’s über einen Pass, der normalerweise nur von Hirten und Vieh benutzt wird. Wir wurden im Internet darauf aufmerksam und entschlossen uns auch mal eine Off-Road Strecke zu meistern. Über grüne Hügel zieht sich der Weg vorbei an herrlichen Bergseen und mehreren riesigen Schafherden, immer höher hinauf.
Die Hirten sind meist mit hunderten Schafen, den dazugehörigen Hunden, Trageseln und zum Teil mit Pferden unterwegs. Wir fahren sehr gemächlich mitten durch die Schafherde. Einer der Hirten kommt auf uns zu und wir begrüssen ihn freundlich auf Georgisch mit einem „Gamardschoba“. Zu unserem Erstaunen fragt er, ob er von uns Wasser haben kann. Wir geben ihm und einem zweiten Hirten natürlich Wasser zum Trinken und fragen uns gleichzeitig ob sie wohl sonst den ganzen Tag Durst hätten? Es könnte ja sein, dass sie auch noch Hunger haben, also schenken wir ihnen eine Schachtel Kekse :-). Unser Pfad vor uns ist noch einigermassen OK zum Fahren, besteht aber nur aus zwei braunen Spuren im grünen Gras. Wir sind echt froh haben wir einen 4x4 Iveco mit Sperren und viel Bodenfreiheit für diese Strecke! Aber was kommt denn da? Ein Mini-Skoda Fabia und weiter vorne ein Opel Corsa :-). Vom Pass aus biegen wir auf eine noch einsamere Piste ab, Richtung Abuli Ruine. Was wir kaum glauben ist, dass dieser zum Teil kaum sichtbare Weg noch auf Google Maps als Strasse eingezeichnet ist!
Nun ist aber für normale Fahrzeuge wirklich Schluss und wir kraxeln im ersten Kriechgang mit etwa 1-2 km/h eine steile Steinpiste hoch bis wir einen perfekten Platz in absoluter Einsamkeit finden. Was für eine Fahrt!
3.6.2022
Abuli Pass, Georgien
Die Javakheti Ebene wird von Norden nach Süden von der Abuli-Samsari-Bergkette, einer Reihe von Vulkankegeln, durchzogen. Hierher hat uns die Offroad-Tour gebracht. Von unserem Übernachtungsplatz aus haben wir eine wunderbare Aussicht auf einen der höchsten Gipfel des Kleinen Kaukasus, den Didi Abuli mit 3'301 m. Die Flanken der erloschenen Vulkane weisen einen leicht violetten Farbton auf, was sie für uns besonders beschaulich macht. Es reizt uns, diesen schönen Kegel zu besteigen, doch hat es für unseren Geschmack im oberen Teil noch zu viel Schnee. So entscheiden wir uns für die einfachere Wanderung zur Abuli-Festung, die aus der Bronzezeit stammt und in Trockenmauertechnik gebaut wurde. Eigentlich eine ganz interessante Ruine.
Auf dem Rückweg besteigen wir doch noch einen Gipfel, den Patara Abuli. Wanderweg gibt es hier keinen, der Berg besteht grundsätzlich aus einem grossen Steinhaufen :-). Eine sehr eigenartige und für uns ungewohnte Berglandschaft. Ob diese Geröllhalden wohl Überbleibsel eines Vulkanausbruchs sind? Vom Gipfel aus sehen wir weit unten, ganz klein und allein, den Iveco in der grünen Landschaft :-).
4.6.2022
Abuli Pass – Tskhratskaro Pass, Georgien
Km: 80
Km Total: 15’950
Jetzt muss unser Iveco die Strapazen wieder auf sich nehmen und auf der anderen Bergseite wieder runter Richtung Achalkalaki fahren. Kriechen, das wäre eigentlich das bessere Wort, denn für 7km benötigen wir sage und schreibe 1 Stunde 20 Minuten! Man muss an diesem Punkt auch sagen, dass wir immer langsam und fahrzeugschonend fahren.
Unten im Tal angekommen, sehen wir in einem Dorf etliche Störche. Fast auf jedem Telefonmast ist ein Nest, wo oft auch 2 oder 3 Jungtiere drinsitzen. Unser nächstes Ziel ist der Borjomi Nationalpark. Wir nehmen Google Maps zur Hand, sehen eine ganz normal eingezeichnete Strasse über einen Pass, denken nichts Böses und ziehen los. Auf halber Strecke zum Pass hoch trauen wir unseren Augen nicht. Der Asphalt endet abrupt und eine steinige „Strasse“ zwingt uns die Geschwindigkeit auf 10km/h zu drosseln!! Etwas ungläubig schauen wir einander an, aber der Umweg ist jetzt auch keine Option mehr, also ziehen wir weiter.
Landschaftlich ist es mit den grünen Hügeln und dem farbenfrohen Bergfrühling ja fantastisch, und der schöne Fuchs der vor uns über die Strasse flitzt, zaubert ein Lächeln auf unsere Gesichter. Aber der Frust holt uns bald wieder ein. Die Schneefelder am Strassenrand machen uns klar, dass der Pass erst wenige Tage oder Wochen offen sein kann. 19:00 Uhr ist es, und wir erreichen endlich die Passhöhe und den dortigen Polizeiposten. Der Polizist verlangt unsere Pässe und den Fahrzeugausweis und wir werden registriert. Grund dafür ist eine Ölpipeline die von Aserbaidschan her kommt und über diesen Pass führt. Wenige hundert Meter neben der Polizeistation (bei dieser durften wir unser Wagen nicht hinstellen) schlagen wir unser Lager auf. Nach dem heutigen Fahrstress kommt zu guter Letzt noch ein starkes Gewitter mit Wind und Hagel auf uns zu. Aber auch dies geht glimpflich vorüber und wir verbringen auf 2450m eine ruhige Nacht.
5.6.2022
Tskhratskaro Pass – Borjomi, Georgien
Km: 50
Km Total: 16’000
Vor der Fahrt runter ins Tal nach Borjomi, gönnen wir uns eine dreistündige Wanderung. Man will ja einigermassen fit bleiben :-).
An herrlichen Bergfrühlingsblumenwiesen vorbei geniessen wir bald den herrlichen Ausblick über die umliegende Bergwelt. Unter uns ist das Skigebiet von Bakuriani, wo die Bauindustrie in vollem Gange ist! Jedoch sehen wir auch unzählige halbfertige Häuser und Neubauten, die vermutlich wegen der Corona-Pandemie nicht zu Ende gebaut wurden.
Zurück beim Iveco starten wir zum ersten Mal unsere eigene Waschmaschine!
Diese besteht aus einer Weithalstonne und einem „Solarduschsack“ :-). Tonne auf, das sonnenaufgeheizte Wasser rein, Wäsche und Ökowaschmittel rein, Tonne zu und in den Iveco rein, und los geht die Fahrt über die steinige mühsame Passstrasse. Aber eben, je holperiger die Strasse, desto sauberer die Wäsche :-)!! Während die Wäsche sich von selbst reinigt, geniessen wir die blumenübersäten Wiesen des schönen Tals. Ach ja, jetzt kommt das Spülen der Wäsche! Bei einer Quelle unten im Tal halten wir an. Wir winden die Wäsche aus, entleeren das Fass in unseren Abwassertank und füllen die Tonne mit frischem Quellwasser. Weiter geht die Fahrt und unsere Wäsche wird gespült :-).
Wir erreichen schon bald Borjomi, ein Adventure-Fun-Touristenort, der uns auf den ersten Blick völlig „aus-einer-anderen-Welt“ vorkommt. Touristen auf Quads, Pferden oder anderen Vehikeln, Hochzeitsgruppen die Fotos machen, Elektro-Golfwagen mit verhüllten Araberinnen und ein Verkehrschaos, sind unsere ersten Eindrücke! Wir haben keine Lust auf einen Schlafplatz in dem Getümmel und flüchten auf einen schönen Fleck Erde, mitten im Wald am Rande des Borjomi Nationalparks, wenige Kilometer ausserhalb von Borjomi.
6. – 8.6.2022
Borjomi, Georgien
Für den Besuch des Nationalparks müssen wir uns erst noch beim Besucherzentrum in Borjomi registrieren. Wir konnten dies gestern, als wir im Städtchen waren, aus zeitlichen Gründen nicht mehr erledigen. Heute haben wir keine Lust, wieder ins Auto zu steigen, so machen wir uns zu Fuss auf ins 6 km entfernte Borjomi. Leider müssen wir den grössten Teil der Strecke entlang der Hauptstrasse laufen.
Uns fallen hier vor allem die grossen heruntergekommenen Hotels aus Sowjetzeiten auf. Borjomi ist ein alter Kurort, in einem grünen Tal im Kleinen Kaukasus gelegen. Bereits vor 100 Jahren schlenderten Erholungssuchende durch den Kurpark, tranken von dem berühmten Heilwasser und badeten in den Zarenbädern. Während Sowjetzeiten fuhren Züge aus der gesamten UdSSR den beliebten Kurort an. Mit dem Ende der Sowjetunion brach der Tourismus zusammen. Die Gäste blieben aus und nach der Abspaltung Abchasiens zogen stattdessen Flüchtlinge in die Hotels ein und leben offensichtlich noch immer dort.
Für uns sehen diese Gebäude nahezu einsturzgefährdet aus, wir sind schockiert, dass hier noch hunderte von Menschen leben. Mittlerweile ist der Tourismus jedoch wieder auf dem Aufschwung, vor allem bei Georgiern, Russen und Besuchern des Nationalparks (wie wir es sind :-) ist der Kurort beliebt. Die Registrierung für den Nationalpark ist eine kurze rein formelle Sache. Nach einem leckeren Mittagessen, natürlich mit einem Fläschchen des berühmten salzig-schweflig schmeckenden Borjomi Wassers, klappern wir noch einige Supermärkte ab, um uns mit Proviant für die nächsten Tage einzudecken. Uns fällt auf, dass sehr viele Waren importiert werden, meist aus Russland und der Türkei. Wir probieren möglichst die einheimischen Produkte zu berücksichtigen, was oft recht zeitraubend und mühsam ist, da die Herkunft der Ware meist nicht offensichtlich aufgedruckt ist oder nur in uns unbekannten Sprachen und Schriften. Den zweiten Tag verbringen wir auf dem idyllischen und ruhigen Campingplatz. Der heutige Nationalpark Borjomi wurde 1995 mit Hilfe des WWF und der deutschen Regierung gegründet. Mit 85'000 Hektar ist er der grösste Nationalpark Georgiens und das grösste zusammenhängende, unberührte Waldstück Europas! Bis auf den naturbezogenen Tourismus und einige traditionelle Weidegebiete bleibt die Natur sich selbst überlassen. Am letzten Tag unternehmen wir dann endlich unsere geplante Wanderung in die Wälder des Borjomi Nationalparks.
Der Weg führt uns durch dichten Nadelwald, über blumenübersäte Waldwiesen und Lichtungen mit herrlichen Panoramablicken auf die bewaldeten Hügel ringsum. Mittagspause machen wir beim Chitakhevi-Shelter, einer unbewirtschafteten Holzhütte des Nationalparks, wo man in Stockbetten auf harten Holzbrettern übernachten kann.
Während des Abstiegs begegnen wir zwei Gruppen von Arbeitern, die an der brütenden Sonne den Wanderweg instand stellen und verbreitern. Die eine Gruppe bietet uns sofort Wasser an, obschon sie offensichtlich nicht zu viel bei sich haben. Wir lehnen ab, wir haben selbst genügend dabei. Doch einer der jungen Männer holt einen kleinen Flachmann hervor und streckt ihn Stefan hin. Na gut, ein Schlückchen Schnaps für den Abstieg kann nicht schaden :-).
Der steile Abstieg durch einen lichten Kiefernwald führt uns hinunter in ein schönes Flusstal, wo uns noch ein kurzer Regen mit Hagelschauer erwischt. Schon bald scheint jedoch die Sonne wieder und wir nehmen das letzte Stück der Wanderung bis in Dorf Kvabiskhevi in Angriff. Mit dem Taxi geht’s zurück zum Campingplatz.
9.6.2022
Borjomi – Goderdzi Pass, Georgien
Km: 120
Km Total: 16’120
Bevor wir Borjomi verlassen, statten wir selbstverständlich dem örtlichen, angeblich gesundheitsfördernden, Zarenbad (Schwefelwasserbad) einen Besuch ab.
Im 19. Jahrhundert liess die Zarenfamilie Romanow die Heilquellen zu einem Bad ausbauen. Die drei kleinen Becken liegen wunderbar in einem grünen Tal direkt an einem Bach. Zum Glück stellen sie nach kurzer Zeit die übermässig laute Musik ab und wir geniessen das Bad im knapp 30°C warmen schwefligen Quellwasser.
So, und nun zu unserer Wahl der Strasse um ans Schwarze Meer zu gelangen. Es gibt zwei Möglichkeiten, und wie ihr euch vorstellen könnt, erwischen wir die falsche. Da wir nicht dieselbe Strecke zweimal fahren wollen, ist klar, dass wir die südliche Route Borjomi-Achalziche-Batumi wählen. Auch dies eine Strasse, die auf Google Maps den Eindruck einer richtigen Verkehrsachse macht. Schön ist die Fahrt in dem grünen Tal, aber bald wird glasklar, dass unser heutiger Plan, das Schwarze Meer zu erreichen, kläglich scheitert. Eine lange Baustelle liegt vor uns. Geplant ist, die gesamte unbefestigte Passstrasse auf einer Länge von 50 km zu asphaltieren. Na dann mal los ins ungewollte Abenteuer! Nur so nebenbei, vor wenigen Tagen sagten wir noch, dass wir den Zustand der Strassen immer genau anschauen sollten :-).
Die 15 km bis auf die Passhöhe schaffen wir in lächerlichen 2 ¼ Stunden ;-). Wieder einmal mehr sind wir froh um unser Offroad-taugliches Vehikel! Nach etlichen Schlammpassagen und steinigen Abschnitten kommen wir um 8 Uhr abends endlich auf dem in dicken Nebel gehüllten 2000m hohen Pass an! Die Dörfer nahe am Pass sind von der ärmeren Sorte. Meist alte Holzhütten mit Blechdächern und einem kleinen Acker nebenan. Zum ersten Mal bekommen wir hier in Georgien auch eine Moschee zu Gesicht, denn die hiesige Provinz Adscharien, bis 2004 autonom, war lange Zeit türkisch besetzt. Viele der Einwohner konvertierten zum Islam, weil sie als Christen unter massiven wirtschaftlichen und politischen Nachteilen zu leiden hatten. Deshalb leben hier in Adscharien rund 376’000 muslimische Georgier.
Jetzt aber noch schnell einen Schlafplatz finden! Dank dem App „iOverlander“ landen wir nach wenigen Minuten auf dem Parkplatz des „Goderdzi Alpine garden“.
10.6.2022
Goderdzi Pass – Batumi, Georgien
Km: 140
Km Total: 16’260
Kaum aus dem Camper gekrochen, begrüsst uns ein Mann und erklärt, dass er hier an einem Haus arbeitet und wir schauen kommen sollen. Nicht so hastig denke ich :-), zuerst mal frühstücken. Jetzt gehen wir zu dem Holzhaus im Rohbau, treffen einen weiteren älteren Mann und werden von den lieben Kerlen zum Kaffee und Keksen eingeladen. Mit unseren dürftigen Russischkenntnissen plaudern wir etwas und gehen bald weiter in den „Goderdzi Alpine Garden“. Ein Park, den man in einer halben Stunde durchlaufen hat. Verschiedene Bäume, Sümpfe, Sträucher und Blumen sind gekennzeichnet; ein schöner Park mitten in der Natur.
Der Weg im Park führt uns beim Haus (wird Teil eines kleinen Hotels) und den beiden älteren Männern vorbei, die uns nicht einfach vorbeiziehen lassen. Wir werden wieder eingeladen, dieses Mal zu Chacha, dem typisch georgischen hochprozentigen „Grappa“ :-). Die zwei Männer sind dem Alkohol anscheinend nicht sehr abgeneigt und der eine erklärt uns, dass sein Zittern weggehe, wenn er Chacha trinke... Wir trinken also drei Chacha, haben es lustig und gehen zurück zum Parkplatz.
Nächstes Ziel, der wenige Kilometer entfernte kleine „Green Lake“, der seinem Namen alle Ehre macht. Anhand ein paar kleineren Neubauten, der neu gemachten Strasse zum See und auch dem vorherigen „Goderdzi Alpine Garden“ wird klar, dass auch diese Region vom georgischen Touristenboom profitieren möchte!
Jetzt aber runter Richtung Schwarzes Meer. Unsere Hoffnung, dass auf der anderen Bergseite die Strasse besser sei, wird kurzum zerschmettert!
Insgesamt geht’s vier Stunden lang mit 10km/h runter! Baustelle, Schlamm, Gräben, massenhaft lästige Steine und zu guter Letzt noch viele Kühe auf der Strasse. Trotz der miserablen Strasse befindet sich fast zuoberst auf dem Pass ein Skigebiet! Ob die Strasse im Winter dank dem Schnee einfacher zu befahren ist? Unterwegs hält uns ein 70-jähriger Mann an und meint, wir könnten ihn mitnehmen! Also rein mit dem Mann und er plaudert mit uns als könnten wir fliessend Georgisch oder Russisch. Nicht für 5 Minuten oder so, sondern über die ganzen zwei Stunden Fahrt, welche er bei uns mitfährt :-). Am Schluss will er uns einladen zu sich nach Hause. Aber da er angeblich weit von der Hauptstrasse weg wohnt, es bereits spät ist, und wir und unser Iveco wirklich keine Lust haben auf weitere miserable 4x4 Strässchen, lehnen wir dankend ab. Kurz vor 21:00 erreichen wir endlich nach dem langen Tag erschöpft den Stadtparkplatz von Batumi. Eine komplett andere Welt, die gegensätzlicher zu den letzten Natur-Tagen kaum sein könnte. Futuristische, leuchtende Hochhäuser und Türme zieren unsere Aussicht vom Camper aus.
11. – 12.6.2022
Batumi, Georgien
So eine Stadt wie Batumi haben wir auf dieser Reise noch nicht gesehen! In den letzten Jahren gab es hier einen massiven Bauboom, die Skyline entlang der ausgedehnten gepflegten Standpromenade besteht aus modernen Hotels, Wohn- und Bürotürmen, Casinos sowie der Unterhaltung dienenden Bauten und Parks. Und noch immer spriessen neue Gebäude aus dem Boden. In der Nacht sind viele der Türme farbig beleuchtet und die Strandpromenade mutet teils wie ein grosser Vergnügungspark an. Das Ganze kommt uns ein bisschen unwirklich vor, denn unweit dieser glamourös scheinenden Welt, stehen grosse Plattenbauten aus Sowjetzeiten, wo die Menschen offensichtlich nicht im Luxus leben… Krasse Gegensätze, die leider in vielen Städten der Welt vorzufinden sind.
Doch davon abgesehen, gefällt uns die Stadt eigentlich ganz gut. Die Lage am Schwarzen Meer, im Hintergrund dicht bewaldete Hügel und eine schmucke Altstadt mit renovierten Gebäuden aus der Belle Epoque machen die Stadt sehenswert. Und natürlich schätzen wir, wie immer, die kulinarischen Vorzüge einer grossen Stadt :-). Im Hochsommer ist hier auch richtig was los, viele Georgier, Russen, Türken etc. verbringen ihre Ferien an der Schwarzmeerküste. Auch wir verbringen zwei schöne und heisse Tage in der Stadt und baden tatsächlich das erste Mal auf dieser Reise im Meer!
Was hier auch sehr besonders ist, sind die Delfine, welche sich im Meer direkt vor der Stadt, teilweise relativ nahe am Strand, tummeln! Mit einem Vierradvelo flanieren wir, wie Lokaltouristen :-), entlang der Promenade, geraten dann jedoch in einen Sandsturm und flüchten, wie in einem schlechten Film, auf dem Vierradvelo vor dem Sturm, während um uns die Sonnenschirme fliegen und die Leute vom Strand weg fliehen :-).
Mit einer Seilbahn fahren wir über die Stadt auf einen 256m höher gelegenen Hügel, wo es zwar eine prächtige Aussicht über die Stadt gibt, die schöne Stimmung allerdings etwas getrübt wird von der extrem lauten Musik, die im Restaurant gespielt wird. Gerne hätten wir hier oben einen Schlummertrunk genommen, doch mit der lauten Musik versteht man das eigene Wort nicht mehr... Auf den Seilbahnfahrten machen wir kurze aber interessante Bekanntschaften: eine junge Familie aus Russland, die nach Beginn des Ukrainekrieges nach Georgien ausgewandert ist. Sie wollen die Regierung in ihrer Heimat nicht mehr unterstützen. Beide sind von Beruf Programmierer und können von überall her arbeiten. Sie haben Georgien gewählt, da sie hier einfach ein Visum erhalten, anders als in vielen Ländern Europas. Übrigens bekommt man auch als Tourist bei der Einreise ein Jahresvisum! Auf der Rückfahrt sitzen wir mit einem Paar aus Weissrussland in der Gondel, die 10 Tage hier in Batumi Ferien machen. Als Abendprogramm besuchen wir eine Vorstellung des „Georgian State Choreographic Ensemble“: Männer wirbeln in wilden schnellen Tänzen über die Bühne, drehen sich auf den Zehenspitzen in schnellen Pirouetten und machen hohe grazile Sprünge wie im Ballett; zierlich wie Puppen tänzeln die Frauen in kleinen Schritten über die Bühne, stark geschminkt und in schönen Kostümen. Hinter den Tänzern spielt eine 10-köpfige Live Band traditionelle Musik mit Akkordeon, Flöte, Trommeln und Gitarre.
Auch ganz witzig ist unser „Campingplatz“: ein ruhiger Parkplatz, super gelegen direkt an der Strandpromenade und mit einer Vielfalt von Campingfahrzeugen aus ganz Europa.
13.6.2022
Batumi – Ureki, Georgien
Km: 70
Km Total: 16’330
Raus aus dem quirligen Batumi und ab an einen einsamen Strand. Uns fällt während der Fahrt vor allem die üppige Vegetation entlang der Küste auf. Uns kommt es fast ein bisschen tropisch vor, mit viel Wald und wildem Gestrüpp.
14. – 17.6.2022
Ureki, Georgien
Vier Tage am paradiesischen einsamen Platz, zwischen Kiefern, am Schwarzen Meer mit schwarzem Sand. Täglich Delfine nahe der Küste, Frösche, die im Moor hinter uns quaken, und immer ein angenehmer Wind.
Leckere Restaurants sind in 20 Minuten zu Fuss, im etwas desolat scheinenden Touristendörfchen Magnetiti, erreichbar. Und sogar ein temporäres Haustier haben wir :-). Ein junger magerer Hund, wir nennen ihn „Brownie“, den wir 4 Tage durchfüttern. Auch liebe Nachbarn haben wir. Ein holländisches Paar, das wir bereits in Batumi kennenlernten, haben ihren Camper 200 Meter neben uns parkiert.
Wir versuchen zu Kitesurfen, aber dies scheitert leider an einem defekten Ventil am grössten Kite und zu wenig Wind. Schade.
Alles zusammen ist es wie ein Urlaub vom Reisen :-)!
18.6.2022
Ureki – Ganmukhuri, Georgien
Km: 140
Km Total: 16’470
Irgendwann ist auch unser Urlaub zu Ende und wir tauchen wieder in den Alltag des Reisens ein ;-). Wir nehmen einen letzten „Morgen-Schwumm“ im Schwarzen Meer, servieren unserem Hundi Brownie das letzte Morgenessen und machen uns dann auf den Weg nach Poti. In der Stadt befindet sich einer der beiden grossen Seehäfen Georgiens (nebst Batumi) und sie ist deshalb von grosser Bedeutung für den georgischen Aussenhandel. Über Poti werden Mangan, Mais, Bauholz und Wein ausgeführt. Wir machen hier nur einen kurzen Zwischenstopp zum Mittagessen und fahren bald weiter in die Stadt Zugdidi. Fast die ganze Strecke dorthin ist gesäumt mit Häusern, es scheint, als seien die Dörfer nicht in die Breite, sondern in die Länge gebaut. Alle Häuser sind ähnlich gebaut, auf ähnlich grossem Grundstück mit etwas Land drumherum. Die Regelmässigkeit ist sehr auffallend und kommt eventuell aus der Sowjetzeit. Die Selbstversorgung mit Gemüse, Früchte, Fleisch, Eiern etc. wird hier noch hochgeschrieben. Es scheint, dass bei jedem Haus neben einem grossen Garten auch ein paar Schweine, Hühner, Kühe etc. leben. Die Tiere bewegen sich alle frei auf der Strasse, was das Fahren doch spannender macht ;-)! Die Region ist anscheinend auch sehr geeignet für den Anbau von Haselnüssen. Erneut sind wir überwältigt von der grünen wilden Vegetation in diesem Teil Georgiens! In Sugdidi müssen wir uns dann um eine unangenehmere Sache kümmern. Seit ein paar Tagen habe ich, Maryse, wieder Mal Probleme mit verstopften Ohren. Ein mir bekanntes leidiges Thema, dass ich meist selbst beheben kann. Dieses Mal ist es jedoch besonders hartnäckig und wir beschliessen ein Spital aufzusuchen, damit die Ohren wieder Mal gründlich gespült werden! Mithilfe von Google Maps finden wir das öffentliche Spital der Stadt, sind aber von dessen Erscheinungsbild nicht sehr angetan. Die im Hinterhof stehenden alten ausrangierten Buchanka Ambulanzfahrzeuge werten das Bild auch nicht gerade auf ;-). Doch nach zwei vergeblichen Versuchen in einer kleinen Privatklinik sowie einem kleinen medizinischen Zentrum enden wir dennoch in diesem Spital! Einer jungen Frau, die ein paar wenige Worte Englisch spricht, erklären wir unser Anliegen. Doch auch hier kann uns nicht geholfen werden. Sie schreibt uns eine Adresse auf, zeigt uns auf Google Maps die korrekte Strasse und sagt noch etwas von „Home“. Wir fahren dorthin, ein Wohnquartier, wo zum Glück die Hausnummern angeschrieben sind und wir das gesuchte Haus problemlos finden. Wir haben gedacht, dass es vielleicht eine Arztpraxis in einem privaten Haus ist. Doch dies scheint nicht der Fall zu sein, es ist nirgends etwas angeschrieben. Wir befürchten schon, dass wir hier falsch sind, als eine ältere Frau aus dem Haus kommt. Vermutlich will sie uns fragen, wieso wir hier mit unserem komischen Auto vor ihrem Haus herumstreunen, denke ich :-).
Doch sie öffnet das Tor und winkt uns herein. Verständigung ist nicht möglich, jedoch scheint es fast, als dass sie uns erwartet! Kurz darauf kommt eine jüngere Frau dazu, die ein paar Brocken Englisch spricht. Wir werden ins Wohnzimmer gebeten, ich sehe auf dem Tisch bereits die vorbereiteten Utensilien für eine Ohrspülung! Ich bin erleichtert, wir sind am richtigen Ort! Und abgesehen davon, dass wir uns in einem Wohnzimmer befinden, sehen die vorbereiteten Gerätschaften eigentlich ganz professionell aus :-).
Dennoch sitze ich etwas angespannt auf dem Holzstuhl, als die jüngere Frau die Prozedur gekonnt, aber eher ungewohnt heftig, vornimmt. Nach dreimaliger Spülung pro Ohr, sind meine Gehörgänge befreit vom Ohrenschmalz! Die Behandlung kostet Fr. 17.-. Wir befreunden uns auf Facebook und sie zeigt uns anschliessend noch ihr Maisfeld hinter dem Haus. Glücklich und wieder ganz hörig :-), fahren wir aus der Stadt in Richtung Meer, um dort die Nacht zu verbringen.
Wir kommen an einen sehr kuriosen Ort: eine Art künstlich aufgebauter Badeort mit grosser Promenade, einem relativ leeren Strand mit übermässig vielen Rettungsschwimmern, einem kitschigen Turm, einer grossen modernen Fussgängerbrücke, einem Wasserpark und einzelnen Hotels. Wir recherchieren und stossen auf folgende Erklärung für diesen skurrilen Ort: „Anaklia war bereits zur Sowjetzeit ein beliebter Badeort. Doch das änderte sich nach 1990, als die Stadt nur einen Kilometer südlich der nun unüberwindbaren Grenze zu Abchasien zu liegen kam. Um 2010 begannen unter der Regierung Saakaschwili umfangreiche Ausbauarbeiten, um Anaklia zu einem Top-Badeort am Schwarzen Meer auszubauen. Der Touristenansturm lässt aber weiterhin auf sich warten.“
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